Von den Orkneys auf die Hebriden
Logbucheintrag vom 25.07.2010
Nach der geglückten und in zweieinhalb Tagen auch recht zügigen Nordseeüberquerung geht es nun daran, sich auf den rauen Nordwesten Schottlands, die nördlichen Orkney-Inseln und die westlichen inneren und äußeren Hebriden zu freuen – und vorzubereiten. Das sonnige, aber kühle Wetter trägt dazu bei, dass es ein angenehmes Unterfangen zu werden verspricht.
Der Nachmittag des Donnerstags, 22. Juli, wird also genutzt, um kleinere und größere Bastelarbeiten durchzuführen. Nach unserer Ankunft am Nachmittag in der *Widewall Bay*, einer Bucht an der Westküste von S. Ronaldsay am Südausgang zu Scapa Flow in den südlichen Orkney-Inseln, gestalten wir den Rest des Tages mit Bastelei.
Beim Ankermanöver war uns eine Maschinenschraube harmlos neben der Ankerkette liegend aufgefallen, die dort eigentlich nicht hingehört. Ihre tatsächliche Verwendung erschloss sich erst später nach einigem Suchen: Sie hätte den Furler der Genua nach unten sichern sollen. Da sie das nicht mehr tat, hatte sich der Furler von der Vorstaghalterung gelöst, war nach oben gerutscht, hatte das Rollprofil verbogen, das sich ebenfalls seiner Verschraubung entledigt hatte.
Die Erkenntnis zwang uns zunächst zum Genuawechsel, da sich der Hals an der scharfen Furleroberseite aufgescheuert hatte. Mit Feile und Hammer ließ sich das Profil dazu bewegen, sich wieder im Furler verankern zu lassen. Ärgerlich, reparierbar und daher nur Grund zur Aufmerksamkeit, nicht zur Sorge. Nun ist die Werks-Genau angeschlagen, die sich seither außer hoch am Wind als solide herausgestellt hat.
Am Morgen des Freitag, 23. Juli entscheidet sich Uwe, Meno mithilfe der Ankerwinsch bereits um 05.15 Uhr aus dem Bock zu jagen. Da seit heute imperiale Ortszeit an Bord gilt, der Körper aber noch auf kontinentaler Zeit läuft, wird die Frühe des herrlichen Sonnenmorgens zur Abfahrt genutzt. Unter Groß und Genau geht es nach Südwesten über den auch heute ruhig vor uns liegenden Pentland Firth in Richtung Cape Wrath. Der Strom von teils mehr als vier Knoten setzt uns jedoch erheblich zu, so dass wir Maschinenunterstützung brauchen, um voranzukommen.
Den Leuchtturm von Cape Wrath umfahren wir am frühen Nachmittag. Er liegt in der gleißenden Sonne bei herrlicher blauer See mit kleinen weißen Schaumkronen herrlich leuchtend und stolz über der mächtigen wettergegerbten Steilküste. Der Wind dreht uns hinter dem Kap auf die Nase.
Wir motoren die verbleibenden Meilen bis zur ersten Bucht an der Nordwestküste: Loch Inchard. In Camus Blair, einer kleinen Bucht gegenüber dem etwas traurigen Häfchen Kinlochbervie finden wir den ruhigen Ankerplatz für die Nacht. Uns eint die freudige Erkenntnis, dass man in diesen Breiten „Empfehlungen“ der gängigen Hafenhandbücher zu schönen Ankerbuchten gefahrlos folgen kann: Anders als im Mittelmeer trifft man dort nicht die schon vor Anker liegende Flotilla vor!
In der Abendruhe bei herrlichem Sonnenschein und einem Regenbogen über der heranziehenden Warmfront versucht Meno sein Anglerglück. Ohne Rute, aber mit Pose und Speck am Haken machen sich sogleich ein paar kleinere Meeresbewohner über das ungewohnte Nahrungsangebot her. Die Pose wankt und wackelt, zuckt und geht unter, aber kein Fisch will sich mithilfe des Hakens an die Oberfläche locken lassen. Wir lassen den Abend nach gutem Essen bei Malt ausklingen.
Auch der Samstag beginnt wieder mit dem bereits einstudierten Ritual der Nachtruhebeendigung durch Ankerwindenbenutzung. Die Überfahrt bei mäßigem Westwind, aber ob der harmlosen Warmfront ohne Regen. Der Anlieger in Richtung Stornoway auf der Isle of Lewis ist bei kurzer steiler Welle etwas unangenehm. Wir probieren verschiedene Segeleinstellungen aus, aber erst im Schutz der Küste von Lewis wird die See etwas ruhiger. Dafür frischt der Wind auf gute 5 Bft. auf und wir rauschen an die felsige Ansteuerung vor Stornoway zu. Hinter der nach Süden offenen Hafeneinfahrt liegt der Fischer- und Fährhafen Stornoway geschützt und ruhig vor uns.