Die grüne Insel
Logbucheintrag Nr. 008.
Die südlichen Inneren Hebriden sehen wir bei schönstem Wetter und herrlichem Segelwind vorbeirauschen. Am Mittwoch, 29. Juli geht ein langer Schlag frühmorgens in Tobermory los, der uns am Abend nach gut zwölf Stunden auf dem Wasser und 84 Seemeilen in Rufweite der Lagavulin Distillery auf der Whiskyinsel Islay vor Anker bringt.
Ab dem Ostausgang des Sound of Mull können wir segeln. Sonnenschein, eine schöne Brise und ein frischer Morgen bringen uns gut nach Südwesten voran. Neun Knoten laufen wir bei Vollzeug. In der Straße von Islay, gälisch gleichnamig der Destille Caol Ila mit exzellentem Malt, an der Ostseite bei Port Askaig gegenüber der Insel Jura müssen wir uns mit Maschinenhilfe den bis zu sechs Knoten Gegenstrom erwehren. Nach Passage des Leuchtfeuers am Südausgangs wird es ruhiger, der Wind dreht genau gegenan und die letzten Meilen bis zur Südspitze des Whisky-Mekkas mit seinen sieben aktiven Destillen laufen wir unter Motor. Wir entscheiden uns gegen das Anlaufen von Port Ellen und versuchen unser Glück in der malerischen, aber felsigen Bucht vor der Whiskybrennerei Lagavulin. Ob die Bucht der Destille ihren Namen gegeben hat oder andersherum, lässt sich nicht feststellen. Sicher ist aber, die Lage ist malerisch. Das Inlet mit Moorings direkt vor der Destille ist zu flach für uns und nach bangem Blick auf die nahen Steine unter unserem Kiel, die durch das klare Wasser blitzen, ankern wir etwas weiter draußen. Der rauchige und torfige Ledraig-Malt aus Tobermory hilft uns zu verkraften, dass wir Lagavulin leider nur aus der Ferne und nicht von innen werden sehen können. Aber eines ist sicher: Wir kommen wieder!
Nachts dreht der Wind auf Südost und damit genau auf unsere Ankerbucht ein. Der Ankerplatz ist ungemütlich schaukelig, längeres Liegen und ein Destilleriebesuch werden aufgegeben und bei trübem und regnerischem Wetter nehmen wir die Kreuz über den North Channel zur Irischen Insel in Angriff. Nach sauberer Querung des Verkehrstrennungsgebiets, Umfahren eines 270-Meter-Tankers, der kaum zu sehen, aber ganz nah vor uns im Dunst quert, stampfen wir bei Strom und bis über elf Knoten über Grund der irischen Nordküste entgegen. Die beeindruckende Steilküste Nordirlands bleibt im Dunst an Steuerbord und wir laufen abends die Bangor Marina östlich von Belfast an, um erstmals seit Norwegen wieder Frischwasser an Bord zu nehmen. Wir spülen die Tanks durch, nehmen uns des Algenproblems Steuerbord an und machen einen Landgang. Das Städtchen Bangor kommt uns jedoch lärmend und die Pubs wenig einladend vor, so dass wir uns entschließen, den Night Cap an Bord zu uns zu nehmen.
Nach morgendlichem Einkauf im lokalen Großsupermarkt und vergeblicher Suche nach Algenbekämpfern laufen wir am späten Vormittag bei mildem Sommerwetter und kräftigem Westwind nach Osten. Wir haben als Tagesziel die Isle of Man ausgeguckt, die der Nordwestküste Englands vorgelagert ist. Die gut 60 Meilen legen wir in sieben Stunden zurück. Die enge Durchfahrt an der Südküste zwischen dem Calf of Man und der Hauptinsel beschert uns einen wahnsinnigen Strom, so dass wir das Groß schnell wegnehmen. Auch unter Motor ist die enge Passage tückisch und reißt die Henryke mal in diese mal in jene Richtung. Kurz dahinter erwartet uns dann eine kabbelige See, da die Felsküste die heranrollende See reflektiert und uns wie ein Korken auf den Wellen tanzen lässt. Wir sind froh, Port St. Mary am Südostzipfel der Isle of Man mit stabilen Moorings und Schutz nach Westen und Norden zu erreichen. Der Ort sieht allerdings überhaupt nicht einladend aus. Nachdem wir uns dem neben uns liegenden Lifeboat an der Mooring bis auf wenige Meter nähern, verholen wir an einen Platz weiter außen und sagen den Landgang ab – eine gute Entscheidung, denn ein leckerer Lachs-Nudel-Auflauf am Abend und Basteln am Großsegel beschäftigen uns prächtig den ganzen Abend.