Evian-Wetter
Logbucheintrag Nr. 012.
Der letzte Schlag der Nordsee-, Schottland- und Irlandcrew erfolgt zunächst bei bewährtem grauen Wetter. In Tobermory hatten wir dafür bereits den Ausdruck “Evian-Wetter” geprägt. Auf diesem zunächst letzten Teilstück bis Falmouth, wo der Crewwechsel ansteht, sollte es uns wieder erfreuen.
Evian-Wetter ist eigentlich kein Regen. Es kommt dem recht nahe, was der feuchtigkeitsverwöhnte Inselschotte als “erhöhte Luftfeuchtigkeit” bezeichnet. Man merkt es kaum, auf der Haut bildet sich ein leichter Wasserfilm, aber die Brillenträger unter uns leiden umso mehr: Die Sicht ist durch den extrem feintröpfigen Regen viel stärker eingeschränkt, da die Brillengläser zu verschwimmen scheinen. Evian-Wetter heißt nun deswegen so, weil es sich auf der Haut anfühlt, als würde jemand einen beständig mit einem dieser Eau thermale-Wassersprüher von Avène benetzen. Faszinierend!
Da wir dieses Spektakel bereits hinreichend erprobt und auch das Grauspektrum des Himmels auf dieser Reise bereits ausreichend studiert haben, ist die Fahrt durch den Nebel in Richtung Falmouth von geringer Faszination. Lizard Point, noch eine dieser schwierigen Passagen aufgrund des dort auftretenden und bei schwerem Wetter gefürchteten Stroms, erscheint plötzlich querab, als die Wolkendecke sich wie auf Kommando hebt und den Blick auf die Küstenlinie freigibt. Der stramme Südwestwind treibt uns nur mit Genau vor sich her und leicht überholen wir einige kleinere Mitsegler. Als wir Kurs Plymouth die gute drei Dutzend Meilen breite Bucht von Lizard Point im Südwesten über Falmouth im Nordwesten bis Plymouth im Nordosten erreichen, löst sich der Nebel auf, die Wolkendecke verschwindet und übrig bleibt ein herrlicher Anblick der malerischen cornischen Landschaft.
Das ist Segeln vom Feinsten! Sechs Windstärken, flaches Wasser in der Bucht und Sonnenschein pur, dazu endlich die Wärme, die wir so lange vermisst haben. Uns gefällt die Segelei so gut, dass wir noch einen Extraschlag zur Mündung des Merford River machen. Inmitten grüner Wiesen und langsam gen See abfallender Küste liegen wunderbar einige Häuser, deren Blick auf die Bucht eine Freude sein muss. Nur von einigen auf Reede liegenden Tankern verdeckt erstreckt sich eine nur von dem über das glatte Wasser hinwegpeitschenden Wind bewegte Bucht, die als eines der Top-Segelreviere Südenglands gilt.
Als wir Falmouth erreichen, wissen wir was damit gemeint ist. Sind auf dem Wasser bereits so viele Segler, wie wir sie seit Norwegen nicht mehr gesehen haben, so verblüfft uns der Anblick der unzähligen, wahrlich hunderten vor Moorings und Anker liegenden kleinen und großen Schiffe in Falmouth. Den River Fal in Richtung Truro fahrend können wir uns gar nicht satt sehen an der Mannigfaltigkeit der Wasserobjekte und einiger besonderer Schönheiten. Die vielen Cornish Crabster, die hier in teilweise Top-Zustand liegen und die am Folgetag zuhauf aufs Wasser gehen, erfreuen unsere Augen besonders. Als der Anker vor der Pendennis Marina im Osten direkt neben zwei tollen Klassikern und dem riesigen Marine-Versorger “Mounts Bay” fällt, fühlen wir uns in guter Seglergesellschaft.